Entwicklung neuer Methoden in der räumlichen Transkriptomik: Von der Vision zur Forschung

Objektträgerscanner für die Forschung am EMBL in Rom

Gianluca Franco

Gianluca Franco

14. Mai, 2024

Die räumliche Transkriptomik wurde von der Fachzeitschrift „Nature“ zur Methode des Jahres 2020 gekürt, da sie wesentlich zum Verständnis der komplizierten genetischen Zusammenhänge beiträgt, die unsere Gesundheit beeinflussen. Nach wie vor trägt die räumliche Transkriptomik in hohem Maße dazu bei, unser Wissen über verschiedene Krankheiten zu vertiefen. Insbesondere die Krebsforschung profitiert enorm von der Anwendung der räumlichen Transkriptomik. Sie ermöglicht es, die der Krebsentstehung zugrunde liegenden Mechanismen zu untersuchen und herauszufinden, wie spezifische Behandlungen die Genexpression in Tumorzellen beeinflussen.

Ein zentraler Bestandteil dieser Methode sind Fluoreszenz-Scanneraufnahmen zur Darstellung von Genexpressionsmustern in einer Gewebeprobe. Optik, Durchsatz und Komplexität der Mikroskopsysteme begrenzen jedoch derzeit den Einsatz der Fluoreszenzmikroskopie. Um mit den aktuellen und zukünftigen Anforderungen in der Forschung Schritt zu halten, wird in zentralen Mikroskopieeinrichtungen weltweit nach Möglichkeiten gesucht, Automatisierung und Durchsatz zu erhöhen und die Gerätebedienung zu vereinfachen, um die Analyse effizienter zu gestalten, ohne Kompromisse bei der Bildqualität einzugehen.

Kürzlich befragten wir Dr. Alvaro Crevenna, Leiter der Mikroskopie am EMBL in Rom, zur Entwicklung neuer Methoden in der räumlichen Transkriptomik. Er erläuterte, dass der SLIDEVIEW VS200 Objektträgerscanner für die Forschung von Evident für die Technologieentwicklung und die Erhöhung des Durchsatzes sowie für die Erweiterung der derzeitigen Möglichkeiten des Fluoreszenz-Scanverfahrens von entscheidender Bedeutung war.

Verarbeitung von Gewebeproben in großer Zahl

„Das A und O der Bildgebung ist die Gewebedarstellung“ – Dr. Alvaro Crevenna, Leiter der Mikroskopie am EMBL in Rom

Dr. Alvaro Crevenna, Leiter der Mikroskopie am EMBL in Rom, steht an der Spitze einer Einrichtung, die für die Probenbildgebung genutzt wird. Zwei Forschungsbereiche stehen dort im Mittelpunkt: Epigenetik und Neurowissenschaften. In beiden Bereichen wird mit Mäusen gearbeitet. Die Bildgebung von Geweben ist für die Einrichtung von entscheidender Bedeutung, da 99 % der Proben aus fixiertem Gewebe bestehen. Als Dr. Crevenna 2019 seine Stelle antrat, verfügte die Einrichtung über drei Geräte, von denen aber keines speziell für die Gewebedarstellung geeignet war. Dadurch nahm die Bearbeitung der Proben viel Zeit in Anspruch.

Dies galt insbesondere für die Forschung in der Neurobiologie. In der neurowissenschaftlichen Forschung gibt die Visualisierung der neuronalen Aktivität entscheidenden Aufschluss über die Funktionsweise des Gehirns. Häufig werden Mini-Mikroskope oder Zwei-Photonen-Mikroskope eingesetzt, um die neuronale Aktivität während bestimmter Verhaltensweisen und Aufgaben zu beobachten und aufzuzeichnen. Nach dem Experiment werden zunächst Gehirnschnitte angefertigt und überprüft, ob das Virus korrekt injiziert wurde. Bislang erforderte es jedoch einen erheblichen Zeitaufwand, um die Bereiche, die abgebildet werden sollten, manuell zu lokalisieren und die interessierenden Regionen (ROI) für die nachfolgenden hochauflösenden Scans auszuwählen.

Somit entstand der Wunsch nach einer effizienteren und genaueren Methode zur Identifizierung von ROIs und insbesondere nach einem System, das speziell für die Verarbeitung von Gewebeproben in großer Zahl geeignet ist.

Notwendigkeit zur Automatisierung der Gewebebildgebung

Auf der Suche nach dem besten Objektträgerscanner für die Mikroskopie-Einrichtung standen für Dr. Crevenna mehrere Geräte zur Auswahl, darunter auch der VS200 Objektträgerscanner für die Forschung von Evident.

Fluoreszenz-Objektträgerscanner für die automatische Gewebeabbildung Der VS200 Objektträgerscanner für die Forschung am EMBL Rom.

Die Entscheidung fiel letztendlich zugunsten des VS200 Scanners aus, und zwar aufgrund seiner bemerkenswerten Flexibilität, die Übersichts- und Fluoreszenz-Scannen gleichzeitig ermöglicht. Darüber hinaus vereinfacht der KI-gesteuerte Algorithmus der Software das Scannen von Gewebe und die ROI-Erkennung, wodurch Zeit und Aufwand reduziert werden. Beides waren entscheidende Argumente für die Anschaffung für die Mikroskopieeinrichtung am EMBL, wie Dr. Crevenna bemerkte:

„Eine der wirklich nützlichen Funktionen des VS200 Objektträgerscanners für die Forschung von Evident ist, dass man das Übersichtsbild als Fluoreszenzaufnahme erstellen kann.“ − Dr. Alvaro Crevenna, Leiter der Mikroskopie am EMBL in Rom

Neben der automatischen Bildverarbeitung bietet der VS200 Scanner eine höhere Kapazität und einen höheren Durchsatz bei der Verarbeitung von Objektträgern als viele vergleichbare Modelle. Dr. Crevenna stellte fest, dass nun 10-mal mehr Aufgaben erledigt werden können, wenn die Prozesse über Nacht laufen, so dass die stundenlange manuelle Objektträgerverarbeitung während des Arbeitstages wegfällt. Der VS200 Scanner zeichnet sich außerdem durch eine hervorragende Bildqualität und Optik aus und ist sehr benutzerfreundlich. Dr. Crevenna bestätigt das: „Normalerweise können die Leute schon nach einer 40-minütigen Einarbeitung selbständig arbeiten.“ Dies ist ein wichtiger Punkt, da sich somit Benutzer unabhängig von ihren Vorkenntnissen schnell mit dem System vertraut machen können, was sowohl die Nutzungsintensität der Geräte erhöht als auch den Schulungsaufwand für die Mikroskopieeinrichtung verringert.

Diese Eigenschaften waren entscheidend für Dr. Crevennas Arbeit am EMBL, wo innovative Technologien entwickelt werden, beispielsweise die Implementierung der In-situ-Sequenzierung für die räumliche Transkriptomik. Der VS200 Scanner wird für die künftige Forschung am EMBL ein unverzichtbares Werkzeug sein, mit dem sich die Zielsetzungen des Instituts leicht und effizient erreichen lassen.

Verschiebung der Grenzen der räumlichen Transkriptomik

Die räumliche Transkriptomik ist eine leistungsstarke Technologie zur Visualisierung von Genexpressionsmustern in situ, die Einblicke in die zelluläre Vielfalt und Organisation in Geweben verschafft. Allerdings sind die Möglichkeiten dieser Technik, eine größere Anzahl von Genen in einem einzigen Gewebesegment zu untersuchen, häufig durch die Anzahl der verfügbaren Kanäle eingeschränkt.

Dr. Crevennas Team am EMBL in Rom erkannte die Notwendigkeit, die Möglichkeiten der räumlichen Transkriptomik zu verbessern, insbesondere für die neurowissenschaftliche Forschung und die Epigenetik-Forschung. Dazu möchte die Einrichtung die Zahl der Wellenlängen erweitern, die visualisiert werden können, und automatische Analyse-Pipelines für eine effiziente Datenverarbeitung entwickeln.

Fluoreszenzbild von RNA-Molekülen in einem Mausgehirnschnitt Durch Verwendung von 3 verschiedenen Fluoreszenzkanälen (DAPI, Cy3 und Cy5) für die räumliche Transkriptomik lässt sich das Vorhandensein von RNA-Molekülen in einem koronalen Mausgehirnschnitt sichtbar machen.

Üblicherweise sind Mikroskope auf die Darstellung von etwa fünf verschiedenen Wellenlängen beschränkt. Durch seine Multiplexing-Fähigkeit und die kombinierten Beobachtungsmethoden ist der VS200 Scanner ein hervorragendes Instrument zur Erweiterung der Zahl der Wellenlängen, die zuverlässig visualisiert werden können. Auf diese Weise lässt sich die Aktivität einer höheren Zahl von Genen im Gewebe beobachten, die Anzahl der Bildgebungszyklen verringern und gleichzeitig die Qualität und Genauigkeit der Ergebnisse verbessern.

In Zusammenarbeit mit Evident möchte Dr. Crevenna das Potenzial des Multiplexing nutzen, um die Anzahl der Kanäle weiter zu erhöhen. Derzeit verwendet das EMBL in Rom ein System, mit dem bis zu 11 Kanäle visualisiert werden können, was weitere detaillierte Einblicke in die Genexpressionsmuster in Geweben ermöglicht. Diese Zahl wird sich im Laufe der Zusammenarbeit wahrscheinlich noch erhöhen.

Um diese Forschung auch für andere zugänglich zu machen, entwickelt die Einrichtung außerdem automatisierte Analyse-Pipelines. Diese Pipelines sollen die Datenverarbeitung rationalisieren und es ermöglichen, Ergebnisse schnell und effizient zu analysieren. Darüber hinaus befasst sich Dr. Crevenna mit der Implementierung grundlegender rechnerischer Methoden zur Superauflösung, um die Qualität der Daten weiter zu verbessern:

„Als Einrichtung sind wir der Ansicht, dass unsere Arbeit so durchgeführt werden sollte, dass andere sie übernehmen können. Wir diskutieren bereits mit Evident über die Implementierung unseres neuen Algorithmus für spektrales Unmixing, um ihn all denjenigen zur Verfügung zu stellen, die diese Art der Forschung betreiben.“

Mit der Erweiterung der Grenzen der räumlichen Transkriptomik durch Multiplexing und automatisierte Analyse-Pipelines setzt das EMBL in Rom Maßstäbe auf dem Gebiet der Neurowissenschaften und der Epigenetik. Das EMBL gibt Forschenden auch die erforderlichen Instrumente an die Hand, um tiefere Einblicke in die Genexpressionsmuster in Geweben zu gewinnen.

Zukunftsvisionen

Das EMBL in Rom hat klare Vorstellungen zur künftigen Nutzung des VS200 Scanners, der eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Serviceplattform für räumliche Transkriptomik spielen wird. Statt jede Probe einzeln zu automatisieren, soll der Probenvorbereitungsprozess parallelisiert werden, um einen höheren Durchsatz an Objektträgern auf dem VS200 Scanner zu erreichen. Dies wird es dem EMBL in Rom ermöglichen, die Effizienz der Experimente zu steigern und gleichzeitig ein hohes Maß an Genauigkeit und Präzision beizubehalten. Durch diesen Einsatz des VS200 Scanners möchte das EMBL in Rom eine Plattform schaffen, die Forschenden auf der ganzen Welt qualitativ hochwertige räumliche Transkriptom-Daten zur Verfügung stellen kann.

Gianluca Franco

Gianluca Franco

Territory Manager, Life Science

Gianluca Franco ist seit über vier Jahren Gebietsleiter am Life Science Center von Evident in Italien. Er ist ein erfahrener Spezialist im Bereich optische Mikroskope und Analysetechniken. Sein Interesse an diesem Gebiet entstand bereits während des Studiums, als er sich im Rahmen seiner Masterarbeit in Bioengineering und biomedizinischer Technik mit Fluoreszenzmikroskopie beschäftigte. Gianluca Franco unterstützt das Team im Mikroskopvertrieb durch Vorführungen und Präsentationen moderner Bildgebungssysteme. Außerdem sucht und entwickelt er neue Geschäftsmöglichkeiten für die Sparte Optische Mikroskopie.