Wie die räumliche Biologie die Forschung verändert und innoviert
Rattengehirn, gefärbt mit Hoechst 405, CPCA-GFAP 488, FOX3/NeuN 594, RPCA-Iba1 647 und NF-H-Konjugat 750.
Die räumliche Biologie hat die biomedizinische Forschung revolutioniert, indem sie eine detaillierte Untersuchung der Datenmenge und der räumlichen Daten zu jeder einzelnen Zelle innerhalb eines Gewebes ermöglicht. Im Gegensatz zu herkömmlichen Sequenzierungsmethoden, bei denen Zellen isoliert analysiert werden, integriert die räumliche Biologie Multiomik-Ansätze, darunter räumliche Transkriptomik, Proteomik und Metabolomik, sowie fortschrittliche Bildgebungstechniken, um die Gewebearchitektur zu erhalten.
Diese Innovationen ermöglichen ein tieferes Verständnis der zellulären Zusammenhänge, der Krankheitspathologie und der Gewebeheterogenität. Die Integration von Multiomik und räumlicher Bildgebung hat Bereiche wie Onkologie, Neurowissenschaften und Immunologie erheblich vorangebracht, indem sie die Identifizierung neuer Biomarker, die Charakterisierung komplexer Mikroumgebungen und die Verfolgung des Krankheitsverlaufs ermöglicht hat.
Es ist davon auszugehen, dass die räumliche Biologie im Zuge der technologischen Weiterentwicklung eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Präzisionsmedizin durch verbesserte Diagnostik und personalisierte therapeutische Interventionen spielen wird.
In diesem Interview haben wir mit unserer Kollegin Dr. Laura Lleras gesprochen, um mehr über die Rolle der technisch erweiterten Bildgebung in der räumlichen Biologie zu erfahren. Lesen Sie weiter und erfahren Sie, wie Hochdurchsatz-Bildgebungssysteme die Zukunft der Forschung, Arzneimittelentwicklung und klinischer Anwendungen prägen.
Rebecca: Heute werfen wir einen Blick auf die räumliche Biologie – ein Fachgebiet, das unser Verständnis von Krankheiten auf zellulärer Ebene revolutioniert. Wir werfen ferner einen Blick auf die entscheidende Rolle von Hochdurchsatz-Bildgebungstechnologien wie dem SLIDEVIEW VS200 Objektträgerscanner bei diesen Weiterentwicklungen. Bei uns ist nun Dr. Laura Lleras, Produktmarketing-Managerin bei Evident. Herzlich willkommen, Frau Dr. Lleras! Beginnen wir mit einem Überblick: Was ist räumliche Biologie und warum ist sie so bahnbrechend?
Dr. Lleras: Vielen Dank! Ich freue mich, die Gelegenheit zu haben, über dieses Thema zu sprechen, denn die räumliche Biologie gehört sicherlich zu den spannendsten und neuesten Durchbrüche in den Biowissenschaften. Jahrzehntelang lag der Schwerpunkt in der Molekular- und Zellbiologie darauf, Zellen isoliert zu analysieren – dabei wurde jeweils ein Gen oder ein Protein untersucht, ohne deren räumliche Anordnung innerhalb von Geweben zu berücksichtigen. Dieser Ansatz hat zwar zu bedeutenden Entdeckungen geführt, übersieht jedoch einen entscheidenden Aspekt der Biologie: Wo etwas geschieht, ist genauso wichtig wie das, was geschieht.
Hier kommt die räumliche Biologie ins Spiel. Sie ermöglicht es Forschenden, Biomoleküle in ihrer natürlichen Gewebeumgebung darzustellen und zu analysieren, wobei die Position der Zellen gewahrt bleibt. Dies ist besonders wichtig bei Krankheiten wie Krebs, neurodegenerativen Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen, bei denen Wechselwirkungen zwischen Zellen und der Gewebeaufbau eine entscheidende Rolle für den Krankheitsverlauf spielen. Sie sind auch wichtig für die Regeneration – nehmen wir zum Beispiel die Veröffentlichung von Van Beijnum et al. aus dem Jahr 20231, in der mithilfe der räumlichen Transkriptomik regenerative Prozesse räumlich und zeitlich genau bestimmt werden konnten.
Mithilfe der räumlichen Biologie können wir nun die Genexpression, die Proteinaktivität und die zellulären Interaktionen mit hoher Präzision kartieren und so Forschenden und klinisch tätigen Personen dabei helfen, neue Biomarker zu entdecken, den Krankheitsverlauf vorherzusagen und gezielte Therapien zu entwickeln.
Mausmilz. Von Kromnigon bereitgestelltes Material. Das Bild wurde mit dem SLIDEVIEW VS200 Objektträgerscanner unter Verwendung des Filtersatzes SpectraSplit 7 (Kromnigon) und einer Novem-Lichtquelle (Excelitas) aufgenommen. Autor: Eric Stellamans.
Die Rolle der Bildgebung in der räumlichen Biologie
Rebecca: Das ist faszinierend! Aber wie passt Bildgebung in die räumliche Biologie?
Dr. Lleras: Die Bildgebung ist ein wichtiges Hilfsmittel in der räumlichen Biologie. Ohne fortschrittliche Bildgebungstechnologien wären wir nicht in der Lage, die hochauflösenden räumlichen Abbildungen zu erstellen, die für die Analyse der Gewebeorganisation auf molekularer Ebene erforderlich sind.
Herkömmliche molekulare Techniken – wie RNA-Sequenzierung oder Western Blotting – liefern Informationen über die Gen- und Proteinexpression, lassen jedoch den räumlichen Kontext völlig außer Acht.
Bildgebungstechnologien hingegen ermöglichen es uns:
- Molekulare Wechselwirkungen in intakten Geweben darzustellen.
- Zelluläre Beziehungen und Mikroumgebungen zu erhalten.
- Multiplex-Bilder zu generieren, die zeigen, wie mehrere Biomarker innerhalb derselben Probe miteinander interagieren.
Herausforderungen bei der Hochdurchsatz-Bildgebung in der räumlichen Biologie
Rebecca: Was sind die größten Herausforderungen bei der Bildgebung in der räumlichen Biologie, insbesondere bei Hochdurchsatzanwendungen?
Dr. Lleras: Das ist eine gute Frage. So aufschlussreich die räumliche Biologie auch ist, sie bringt erhebliche Herausforderungen bei der Erfassung, Verarbeitung und Analyse der Daten mit sich.
Zu den wichtigsten Herausforderungen gehören:
- Enorme Datenmengen: Die hochauflösende räumliche Bildgebung erzeugt pro Untersuchung Terabytes an Daten, was eine hochentwickelte Speicher- und Recheninfrastruktur erfordert.
- Standardisierung und Reproduzierbarkeit: Die Bildgebungsbedingungen können zwischen Laboren variieren, was einen Vergleich der Ergebnisse erschwert. KI-gesteuertes automatisiertes Scannen hilft dabei, dieses Problem zu lösen.
- Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Auflösung: Um groß angelegte Studien durchführen zu können, muss die Bildgebung schnell ablaufen, ohne dass die Forschenden dabei Kompromisse bei der Bildqualität eingehen müssen.
- Datenanalyse: Es ist die Zusammenarbeit mit Bioinformatikern erforderlich, um die von den Bildgebungssystemen generierten großen Datensätze zu analysieren oder deren Analyse zu automatisieren. Deshalb sind Hochdurchsatz-Bildgebungslösungen wie der VS200 Objektträgerscanner so bahnbrechend.
Wie der VS200 die Bildgebung für die räumliche Biologie optimiert
Rebecca: Der SLIDEVIEW VS200 Objektträgerscanner findet in der Forschung zur räumlichen Biologie breite Anwendung. Was macht ihn gerade hier so effektiv?
Dr. Lleras: Der VS200 Objektträgerscanner wurde entwickelt, um den hohen Anforderungen in der räumlichen Biologie in puncto Durchsatz gerecht zu werden, indem er Geschwindigkeit, Qualität und Automatisierung in sich vereint.
Die wichtigsten Vorteile des VS200 sind:
- Schnelle Bildgebung mit hohem Durchsatz: Das System kann innerhalb weniger Minuten Mehrkanalbilder eines vollständigen Gewebes in 20-facher Vergrößerung aufnehmen. Darüber hinaus kann es bis zu 210 Objektträger in einem Durchgang scannen und eignet sich somit ideal für groß angelegte Studien.
- Hervorragende Benutzerfreundlichkeit für alle Anwender: Das System verfügt über eine intuitive Software, mit der Scan-Workflows weitgehend automatisiert werden können. Gleichzeitig bietet es verschiedene Optionen für individuelle Bildgebungsanforderungen.
- Multiplex-Scan-Modus: Das System kann mehrere Fluoreszenzkanäle aus verschiedenen Bildgebungsverfahren mit einem Referenzkanal ausrichten, was eine präzise Ko-Lokalisierung von Biomarkern ermöglicht.
- Nahtlose Datenintegration: Unterstützt mehrere Formate, die mit einer Vielzahl von Analysewerkzeugen verwendet werden können.
Die Zukunft der räumlichen Biologie in Forschung und Medizin
Rebecca: Wo sehen Sie die räumliche Biologie in den nächsten Jahren?
Dr. Lleras: Die räumliche Biologie entwickelt sich rasch von der Forschung hin zu klinischen Anwendungen. Derzeit wird sie zwar noch in Forschungslaboren und in der Arzneimittelforschung eingesetzt, doch es gibt bereits erste Schritte in Richtung einer klinischen Anwendung.
Die Zukunft der räumlichen Biologie umfasst:
- Klinische Diagnostik: Räumliche Erkenntnisse werden schon bald Teil der routinemäßigen Krebsdiagnostik und Präzisionsmedizin werden. Dies ermöglicht eine gezieltere und wirksamere Behandlung.
- KI-gestützte Analyse: Selbstlernende Algorithmen automatisieren die Erkennung von Biomarkern und ermöglichen so eine schnellere und genauere Klassifizierung von Krankheiten.
- Multiomik-Integration: Durch die Kombination von räumlicher Transkriptomik, Proteomik und Metabolomik wird eine ganzheitliche Betrachtung von Krankheitsmechanismen möglich.
Da sich die räumliche Biologie ständig weiterentwickelt, werden Tools wie der SLIDEVIEW VS200 Objektträgerscanner eine wichtige Rolle dabei spielen, komplexe Bilddaten in verwertbare Erkenntnisse umzuwandeln.
In unserem Webinar zum Thema Untersuchung der Tumorausbreitung mittels räumlicher Transkriptomik sehen Sie ein Beispiel dafür, wie Dr. Amin El-Heliebi räumliche Transkriptomik und den SLIDEVIEW VS200 Objektträgerscanner einsetzt, um der Metastasierung bei Darmkrebs auf den Grund zu gehen.
Rebecca: Dr. Lleras, das war unglaublich aufschlussreich. Vielen Dank, dass Sie als Expertin Ihr Wissen über die räumliche Biologie und Bildgebung mit uns geteilt haben!
Dr. Lleras: Es war mir ein Vergnügen! Ich bin gespannt, wie die räumliche Biologie die biomedizinische Forschung und Medizin in den kommenden Jahren weiter verändern wird.
Zusammenfassung
- Die räumliche Biologie verändert die Biowissenschaften, indem sie aufzeigt, wie Zellen innerhalb von Geweben miteinander wechselwirken.
- Fortschrittliche Bildgebung ist entscheidend für die Erfassung räumlicher Beziehungen auf molekularer Ebene.
- Lösungen für die Hochdurchsatz-Bildgebung wie der SLIDEVIEW VS200 Objektträgerscanner optimieren Geschwindigkeit, Genauigkeit und Automatisierung in der räumlichen Biologie.
- Die Zukunftsaussichten sind glänzend! Die räumliche Biologie wird schon bald in klinische Arbeitsabläufe integriert werden und damit die Diagnostik und personalisierte Medizin verbessern.
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Mehr über unsere Interviewpartnerin
Product Marketing Manager, Life Science Research, EMEA-Region
Dr. Laura Lleras Forero ist Produktmarketing-Managerin für die EMEA-Region bei Evident. Sie verfügt über einen fundierten akademischen Hintergrund in Biologie und einen Doktortitel vom King's College London. Sie kann auf mehr als 10 Jahre Berufserfahrung zurückblicken und ist bereits seit 2021 bei Evident tätig, wo sie eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung fortschrittlicher Lösungen für die Zellkulturmikroskopie spielt, beispielsweise des SLIDEVIEW™ VS200 Objektträgerscanners und des APEXVIEW™ APX100 Fluoreszenzmikroskops als Tischgerät.
Literaturangaben
- Van Beijnum, H., et al. 2023. „Spatial Transcriptomics Reveals Asymmetric Cellular Responses to Injury in the Regenerating Spiny Mouse (Acomys) Ear.“ Genome Research 33: 1424–1437.